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Was uns mit den unter den Segnungen der Globalisierung ächzenden Asiaten wohl am meisten verbindet, ist die verzweifelte Suche nach Sinn und Orientierung im Leben. Dies hat sich die chinesische Führung zunutze gemacht, um der systemkonformen Harmonielehre des noch unlängst als Reaktionär verfemten Konfuzius zu einer Renaissance zu verhelfen. Als nützliches Sprachrohr bedient sie sich dabei unter anderem Yu Dan, der im Staatsfernsehen sogar großzügig Sendeplatz eingeräumt wird. Denn wie kaum eine andere versteht es die aparte Pädagogikprofessorin, das eineinhalb Jahrtausende alte sperrige Gedankengut des weltberühmten altchinesischen Moralphilosophen planmäßig profanisiert ins chinesische Neusprech zu übertragen. Da der Okzidentale in seiner spirituellen Haltlosigkeit seit jeher dazu neigt, sein Heil bevorzugt bei orientalischen Gurus zu suchen, lag es nahe, das in zweistelliger Millionenauflage erschienene Werk von Yu Dan nun auch für den hiesigen Markt zu erschließen. Nicht zuletzt auch mit Blick auf die Herbstbuchmesse, die 2009 ganz im Zeichen von China stehen soll. Doch mit Konfuzius, dessen aus dem Zusammenhang gerissene Weisheiten auch bei uns auf jedem Küchenkalender prangen, verhält es sich ähnlich wie mit dem Dalai Lama, dessen missinterpretiertes heiteres Lächeln dem Westler ein ewiges Rätsel bleiben wird. Spricht Konfuzius von Gerechtigkeit, um nur ein Beispiel zu nennen, so meint er mitnichten Gleichberechtigung, Teilhabe oder gar Demokratie, die wir damit assoziieren. In der traditionell kollektivistischen Gesellschaft Chinas ist damit schlicht die Entfaltungsmöglichkeit des Untertanen innerhalb der Schranken seines Standes gemeint. Bei der Lektüre des Buches mit dem niedlichen Titel Konfuzius im Herzen erweist sich einmal mehr die nicht nur von Huntington konstatierte Unüberwindlichkeit der kulturellen Unterschiede, die eine Völkerverständigung so schwierig macht. Erschwerend hinzu kommt, dass der Verlag mangels Personals, das der altchinesischen Sprache mächtig ist, bei der Übersetzung kurzerhand auf die 100 Jahre alten „Zitate“ aus der Feder des christlichen Missionars Richard Wilhelms zurückgegriffen hat. – Arnold Abstreiter
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